Das Management von Rohstoffrisiken hat innerhalb der Aufgaben des Corporate Treasury in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen bzw. ist bei vielen Unternehmen als neue Treasury-Herausforderung - zusätzlich zu den klassischen Aufgaben - hinzugekommen. Ausgelöst wurde diese Entwicklung insbesondere durch die enorme Zunahme der Preisvolatilität sowie ein tendenziell steigendes Preisniveau an den verschiedenen Rohstoffmärkten. Hierdurch sieht sich eine immer größer werdende Zahl von Unternehmen dazu gezwungen, eine aktive Steuerung der durch Rohstoffpreisschwankungen bedingten Erlös- oder Kosteneffekte vorzunehmen. Der unbefriedigende Zustand, Entwicklungen auf der Rohstoff-Preisseite ohne Risikoquantifizierung und Risikosteuerung mehr oder weniger ausgeliefert zu sein, wird in diesem Umfeld vielfach nicht mehr akzeptiert. In einigen Fällen kann der Risikotransfer durch eine flexible Anpassung der Vertriebspreise erfolgen. Dies ist jedoch längst nicht für alle Unternehmen ein gangbarer Weg. In vielen Märkten erwarten Kunden beispielsweise eine Preisverlässlichkeit, die mit der Volatilität der Rohstoffmärkte unvereinbar ist. Daneben können auch prozesstechnische Faktoren kurzfristigen und nicht planbaren Anpassungen von Preisen innerhalb von Absatzsystemen entgegenstehen.
Die nachfolgenden Erläuterungen beschreiben aufbauend auf einer Detaillierung der für das Rohstoffsicherungsmanagement relevanten Anforderungen eine systemgestützte Lösung und dienen als Anregung für Unternehmen zur Optimierung des Rohstoffsicherungsprozesses.
Anforderungen an die Sucherung von Rohstoffpositionen (Metaller, Treibstoffe)
Das Management bzw. die Absicherung von Rohstoffpreisrisiken sieht sich im Vergleich zum Management originärer Finanzpositionen (z. B. kurz- oder langfristige Anlage- oder Finanzierungspositionen) mit einer wesentlich höheren Produktheterogenität konfrontiert. So können die verschiedenen Commodities (Metalle, Treibstoffe, landwirtschaftliche Güter etc.) in unterschiedlichsten Güteklassen segmentiert bzw. gehandelt werden. Außerdem ist die Frage, auf welchem Weg und in welcher Art und Weise Rohstoffrisiken auf das Unternehmen einwirken, meist deutlich schwieriger zu beantworten als bei klassischen Finanzrisiken wie Währungen oder Zinsen. Einkaufs- und Verkaufsverträge enthalten häufig eine Vielzahl unterschiedlichster Regelungen. Besonders herausfordernd wird die Aufgabe, wenn der betreffende Rohstoff nicht direkt sondern indirekt bezogen oder veräußert wird, z. B. als Bestandteil von Zulieferteilen (Kupfer in Kabelbäumen, Blei in Batterien etc.). Das sogenannte Basisrisiko (d. h. unterschiedliche Eigenschaften und damit divergierender Preisverlauf von Grund- und Sicherungsgeschäft) spielt damit bei Rohstoffen in der Regel eine weit größere Rolle als bei traditionellen Finanzrisiken.
Voraussetzung für die Auswahl eines geeigneten Sicherungs- bzw. Risikomanagement-Konzeptes ist daher eine genaue Kenntnis und Möglichkeit der Quantifizierung der sich aus dem operativen Geschäft des Unternehmens ergebenden Commodity-Exposures (Ist-/Plan-Volumen- und Preisgrößen). Darüber hinaus werden viele Commodities nicht direkt an Börsen gehandelt, sondern können ausschließlich im Direkthandel mit Finanzintermediären (Banken und Brokern) kontrahiert werden. Um eine aktive Steuerung der Rohstoffpreisrisiken zu gewährleisten, müssen somit verschiedene fachliche, organisatorische und technische Voraussetzungen erfüllt bzw. im Unternehmen geschaffen werden.
Fachliche und organisatorische Voraussetzungen
Der enge Zusammenhang der Steuerungsmaßnahmen mit der Entwicklung des zugehörigen operativen Geschäftes (Fertigungs- oder Vertriebsprozesse) macht eine weitreichende Abstimmung der entsprechenden Treasury-Aktivitäten mit den Planungsprozessen bzw. -ergebnissen der für die verschiedenen Commodity-Exposures verantwortlichen operativen Einheiten (Einkauf, Produktion etc.) erforderlich. So muss im Unterschied zum klassischen Liquiditäts- bzw. Exposure-Planungsprozess neben der reinen finanziellen Planung (= Planung in Geldeinheiten unterschiedlicher Währungen) die Planung sowohl segmentiert in den verschiedenen Commodity-Güteklassen erfolgen, als auch eine Berücksichtigung der verschiedenen Mengeneinheiten (Barrel, metrische Tonne etc.) beinhalten. Um dieser Anforderung nachzukommen, haben einige insbesondere große internationale – Konzerne die Sicherung ihrer Rohstoffrisiken als Spezialbereich in die Organisation der jeweiligen operativen Einheiten eingebunden. Dies findet sich häufig in Bereichen, in welchen ein aktiver Rohstoffhandel stattfindet, bzw. die Veränderung der Rohstoffpreise die zentrale Komponente der Ertrags- und/oder Kostensituation des Unternehmens oder Unternehmensbereiches darstellen (z. B. Energieunternehmen, Minenbetreiber etc.). Diese Unternehmen haben häufig schon seit langem tiefgehende Erfahrungen mit der Steuerung von Rohstoffpreisrisiken. In vielen anderen Unternehmen, die erst durch die oben geschilderten Entwicklungen der letzten Jahre an den Rohstoffmärkten zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit diesem Thema gezwungen wurden – müssen die Prozesse erst etabliert werden und die Koordination der Beteiligten und mit entsprechender Expertise ausgestatten Bereiche (v. a. Einkauf, Produktion, Treasury) muss sich etablieren. [[[PAGE]]]
Die bereits erwähnten speziellen Gegebenheiten an den für das jeweilige Commodity relevanten Finanzmärkten erfordern eine Spezialisierung der für die Sicherung der Rohstoffpositionen verantwortlichen Treasury-Mitarbeiter. So müssen die für das Sicherungsgeschäft verantwortlichen Personen die Auswahl der Kontrahenten (Banken und Broker) vornehmen und damit in der Lage sein, die von den Kontrahenten unterbreiteten Geschäftsangebote vergleichen und bewerten zu können. Darüber hinaus muss ein Konzept zur Messung und Steuerung der mit den Geschäften verbundenen Kontrahenten- und Marktrisiken etabliert werden.
Innerhalb der Treasury-Abteilung müssen die abgeschlossenen Finanzgeschäfte bewertet und abgerechnet werden. Dies erfordert sowohl die Nachvollziehbarkeit der Geschäftspreise (Ermittlung von Barwerten), als auch die Abbildung der sich aus den Treasurygeschäften ergebenden Cashflows.
Zur Steuerung der Preis- und Cashflow-Entwicklungen von Rohstoffgrund- und -sicherungspositionen müssen ausreichende Risikomessungsverfahren innerhalb des Treasury installiert werden. Hierfür eignen sich insbesondere die verschiedenen „at-Risk“-Konzepte (Value at Risk, Cashflow at Risk). Auch müssen mögliche Extremreaktionen der Finanzmärkte (vgl. die Volatilität im Nachgang der Ereignisse um Lehman Brothers) in die Abschätzung der Rohstoffrisiken, sowie in den Aufbau der entsprechenden Handlungskonzepte integriert werden, welches durch den Aufbau einer Szenario-basierten Risikorechnung umgesetzt werden kann.
Neben der Ermittlung und Überwachung der sich aus den Rohstoffpositionen ergebenden wirtschaftlichen Risiken müssen auch die buchhalterischen Größen in der Regel im Treasury ermittelt und an die zugehörigen Buchhaltungsbereiche innerhalb des Unternehmens weitergegeben werden. Hierbei müssen sowohl die sich aus dem Abschluss der Finanzgeschäfte ergebenden Bestandswirkungen, als auch die für den jeweiligen Periodenabschluss relevanten Bewertungswirkungen quantifiziert und in geeigneter Form an die Buchhaltung übergeben werden. Bei Unternehmen, die nach internationalen Standards bilanzieren, hat dies in der Regel nach mindestens zwei verschiedenen Bilanzierungsvorschriften zu erfolgen (HGB bzw. „Local GAAP“ und IFRS). [[[PAGE]]]
Technische Voraussetzungen
Die fachlichen und organisatorischen Voraussetzungen können jedoch nur dann vollumfänglich greifen, wenn die beschriebenen Prozesse und Bewertungsverfahren mit geeigneten Systemen und Schnittstellen unterlegt werden. Diese Unterstützung wird meist durch entsprechende Funktionalitäten eines Treasury- und Risikomanagementsystem (TMS) gewährleistet.Die Notwendigkeit einer technischen Unterstützung findet sich insbesondere in den folgenden Bereichen:
Unterstützung des Transaktions-Workflows: Der Prozess des Abschlusses und der Bewertung von Finanzgeschäften kann auf Basis der zugehörigen fachlichen und organisatorischen Anforderungen (inkl. interner und externer Prüfungsanforderungen) nur durch systemseitige Unterstützung effizient und sicher abgewickelt und dokumentiert werden. Zur Beurteilung der Marktgerechtigkeit der angebotenen Sicherungsinstrumente und zur späteren Wertermittlung müssen ausreichende Marktdateninformationen zur Bewertung der Finanzgeschäfte und der zu sichernden Rohstoff-Exposures vorhanden sein. Die Unterstützung kann hier gegebenenfalls auch eine automatische Verbindung zu den Geschäftsangeboten der Kontrahenten oder der Finanzmärkte beinhalten.
Übernahme der operativen Rohstoff-Exposures: Die in den operativen Einheiten ermittelten Erlös- und Kostenpositionen mit Rohstoffbezug müssen in „Treasury-lesbare“ d._h. klar quantifizierbare und sicherbare Größen übertragen werden und können idealerweise automatisch in das Treasury-Managementsystem übertragen werden.
Ermittlung von Risikogrößen: Die Komplexität der dargestellten Risikomessungsverfahren (at-Risk-Modelle und Szenariokalkulationen), sowie der abzubildenden Rohstoff-Exposures und Sicherungsgeschäfte kann nur durch Unterstützung der IT im Bereich der Datenaufbereitung und Ergebnisermittlung bewältigt werden. Die Notwendigkeit einer dauerhaften unveränderbaren Historisierung von Bewertungsergebnissen wird durch eine Auswertungsdatenbank umgesetzt. Die Ermittlung von Auswertungsberichten erfolgt standardmäßig unter Verwendung von Berichtsgeneratoren.
Ermittlung und Übergabe von Buchungsdaten: Die Vorgaben interner und externer Revisoren erfordern eine unbeeinflussbare Übergabe von Buchungsvorgaben aus der Treasury-Abteilung in die Buchhaltung. Dies ist nur durch eine möglichst weitgehende Automatisierung des Buchungsdaten-Erstellungs- und -Übergabe-Prozesses zu gewährleisten.Darüber hinaus bestehen innerhalb der internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IAS 39, IFRS 7) erhebliche Anforderungen an die Dokumentation von Bewertungsergebnissen und Buchungsvorgängen, welche ebenfalls durch einen automatischen Datenhistorisierungs- und Berichtserstellungsprozess unterstützt werden müssen.
Neben der Unterstützung der verschiedenen Einzelbereiche sind Anforderungen an ein modernes Berichtswesen, gesetzliche Vorschriften (KonTraG) sowie Anforderungen aus der Prüfung des Jahresabschlusses ohne einen durchgehenden systemseitigen Ansatz innerhalb eines Treasury- und Risikomanagementsystems auf Basis der aktuellen Erfahrungswerte nicht mehr effizient und prüfungssicher zu gewährleisten. [[[PAGE]]]
Umsetzung eines integrierten Geschäfts- und Risikomanagementprozesses
Die im vorigen Abschnitt beschriebenen fachlichen, organisatorischen und technischen Anforderungen zur Sicherung von Rohstoffpositionen werden im Rahmen des hier dargestellten Ansatzes durch ein integriertes systemgestütztes Konzept zur Geschäftserfassung und Risikoquantifizierung und -steuerung umgesetzt. Als Beispielbereiche innerhalb des Rohstoffsicherungsmanagements werden die Commodities Metalle und Treibstoffe herangezogen. Die nachfolgenden Erläuterungen beschreiben dabei sowohl die allgemeinen Vorgänge, als auch die entsprechende Umsetzung im integrierten Treasury- und Risikomanagementsystem „CoRiMa“ (Commodity Risk Manager) (siehe Abbildung 1).
Abbildung des Rohstoff-Exposures
Ausgangsbasis für das Rohstoffsicherungsmanagement ist das operative Rohstoff-Exposure, d. h. die sich aus dem Bezug bzw. dem Verkauf von Rohstoffen oder von in Produkten enthaltenen Rohstoffbestandteilen ergebenden Aus- und Einzahlungen. Die Detailgrundlage des Exposures bilden die Ausprägungen der entsprechenden Ein- und Verkaufsverträge. Insbesondere die Gestaltungsalternativen bei der Bindung der Ein- und Verkaufspreise an die unterliegenden Rohstoffpreisgrößen müssen bei der Definition und der Strukturierung des Rohstoff-Exposures sowie dessen Darstellung im Risikomanagementsystem beachtet werden. Gerade die Identifizierung der verschiedenen Preisbildungsklauseln in Verträgen ist in der Praxis ein sehr aufwendiger Prozess. Während klassische, formelbasierte Materialteuerungszuschläge hier noch verhältnismäßig einfach in der Handhabung sind, führen andere, weniger klare Preisbildungsklausen (bis hin zur spontanen Neuverhandlung der Preise auf Antrag eines Vertragspartners) zu deutlich mehr Problemen bei der Risikoquantifizierung und damit zwangsläufig auch bei der Steuerung.Die nachfolgende Aufstellung zeigt einige der potentiellen Preisbindungs- bzw. Preisermittlungsverfahren:
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Der Prozess zur Definition des Sicherungs-Exposures kann bzw. muss hierbei durch das übergreifende Zusammenspiel der Einheiten bzw. Bereiche im Unternehmen erfolgen. Die beobachteten Vorgehensweisen erstrecken sich dabei vom direkten Zusammenspiel der operativen Vertriebs- und Einkaufseinheiten mit dem Treasurybereich (= Erstellung der sich aus den Rohstoffeinkauf und -vertrieb ergebenden Finanzpläne) bis zu einer direkten Übernahme der im Controlling oder einem eigenen Planungsbereich bereitgestellten Finanzpläne und Ist-Größen. Ergebnis dieses Prozesses sind in jedem Fall auf Planungsperioden (z. B. Monat, Geschäftsjahr) bezogene Rohstoff-Exposures pro Preisermittlungsprofil. Die Spannbreite kann dabei von einer eindimensionalen Darstellung (Darstellung des Rohstoffbedarfs auf Monatsebene für n Monate zum Planpreis) bis zu einer Matrixdarstellung (Planung verschiedener Rohstoffarten und Preisgestaltungen auf Periodenebene) reichen.Die Übernahme der auf vorstehender Basis ermittelten Exposures in das Risikomanagementsystem bedient sich im hier dargestellten Fall (-> „CoRiMa“) der Eigenschaften von am Finanzmarkt vorhandenen Finanzinstrumenten (z. B. entspricht der geplante Bezug eines Metalls in 3 Monaten einem Terminkauf). Je nach im Vertrag enthaltenem Preisermittlungsprofil kommen dabei verschiedene Arten von Finanzinstrumenten zum Einsatz. Die in Abbildung 2 dargestellten Ausprägungen stehen dabei unter anderem zur Exposure-Modellierung zur Verfügung.Das Ergebnis des Planungsprozesses im Risikomanagementsystem ist somit ein Portfolio von Rohstoff-Kontrakten, welches die unterliegende Rohstoffposition des Unternehmens abbildet.
Aufbau des Treasury-Transaktions- und -Abwicklungsprozesses
Primäres Ziel der im Rahmen der Sicherung der Rohstoffpreisrisiken vorzunehmenden Treasuryaktivitäten ist die Steuerung der offenen Rohstoffposition. Die Basis der dafür abzuschließenden Treasurygeschäfte stellen die in Abbildung 2 dargestellten Ausprägungen von Finanzinstrumenten dar.Unter Beachtung der in weiter vorne.1 beschriebenen Anforderungen ist somit ein effizienter und sicherer Treasury-Transaktions- und Abwicklungsprozess zu etablieren, welcher auf der Plattform des Risikomanagementsystems (-> „CoRiMa“) technisch integriert wird. Der Gesamtprozess kann beispielhaft in die folgenden Schritte gegliedert werden (siehe auch Abbildung 2).
Geschäftserfassung/Geschäftsübernahme aus externen Trading-Plattformen: Ausgangspunkt des Treasury-Geschäftsprozesses ist i. d. R. die Erfassung von Treasury-Transaktionen entweder direkt im Treasury- oder Risikomanagementsystem oder per automatischer Übernahme aus vorgelagerten Handelsplattformen (Banken-Applikationen, Multibank-Handelssysteme oder OTC-Marktplätze). Die Geschäftserfassung sollte eine dem Sicherungsziel zuordenbare Kennzeichnung bezüglich Geschäftsarten und sonstigen Parametern (abgesicherter Rohstoff, Zeitraum etc.) enthalten, welche sich zum einen an den am Finanzmarkt handelbaren Finanzinstrumententypen orientiert, zum anderen aber auch die individuellen Belange der unterliegenden Rohstoffposition berücksichtigt (Unterscheidung nach speziellen Rohstoffausprägungen, Preisbindungskonzepten, Märkten etc.). Werden die Treasury-Transaktionen aus Vorsystemen übernommen, so ist zusätzlich eine Anpassung (in der Regel im Rahmen einer Schnittstelle) der externen Geschäftsausprägungen auf das interne Geschäftsartenkonzept vorzunehmen.
Geschäftsbewertung: Die erfassten oder übernommenen Treasury-Geschäfte sind im Treasury- bzw. Risikomanagementsystem auf Basis von externen Marktdaten (Börsenkurse oder Referenzkurse von Kontrahenten) oder internen Bewertungsmodellen mit Bewertungsgrößen zu unterlegen. Die unterlegten Marktdaten sollten dabei in automatischer Form und vorgegebener Frequenz (-> mindestens einmal pro Tag) über eine Marktdatenschnittstelle in das Treasury- und Risikomanagementsystem übernommen werden. Im Bereich der Commodities Metalle und Treibstoff sind hierbei insbesondere Verbindungen zu den wichtigsten Marktplätzen und Datenanbietern notwendig (bspw. London Metal Exchange [LME] oder Platts). Im Falle der internen Bewertung von Commodity-Geschäften sind die genutzten Bewertungsmodelle im Risikomanagementsystem (-> „CoRiMa“) einer Qualitätskontrolle (z. B. stichprobenartiger Abgleich mit Bewertungen anderer Systeme oder von Banken) zu unterziehen. Gegebenenfalls muss anschließend eine Anpassung des Bewertungsmodells oder der Bewertungsparameter erfolgen. Wichtig ist dabei zum einen die korrekte Modellierung der Cashflow-Struktur (Referenzkurse und Preisermittlungsalgorithmen; Tages- vs. Durchschnittsfixing etc.) und zum anderen die Einstellung des unterlegten Bewertungsmodells. Das System „CoRiMa“ stellt hierbei eine breite Palette von der DCF-Methode über verschiedene Optionspreismodelle bis hin zur Bewertung auf Basis einer Monte Carlo-Simulation (-> Bewertung von asiatischen Optionen) zur Verfügung. [[[PAGE]]]
Geschäftsfreigabe („Vier-Augen-Prinzip“): Neben der Eingabe und Bewertung von Treasury-Geschäften bildet die Geschäftsfreigabe insbesondere aus Prüfungs-Gesichtspunkten eine notwendige Säule des Treasury-Geschäftsprozesses. Wichtig in diesem Rahmen sind insbesondere die saubere systemseitige Dokumentation der Freigaberegeln sowie die Nachvollziehbarkeit der Freigabeaktivitäten im Treasury- und Risikomanagementsystem.
Geschäfts-Abwicklung (Settlement): Das korrekte Übergeben und Bestätigen von Geschäften im Rahmen des Zahlungsverkehrs ist eine der Standardaufgaben des Treasury-Geschäftsprozesses. Im Bereich der Commodity-Geschäfte stellt die Ermittlung und Strukturierung der Geschäfts-Cashflows eine der zentralen Herausforderungen an das Treasury- und Risikomanagementsystem dar. Das System „CoRiMa“ begegnet dieser Herausforderung mit einem frei skalierbaren Parameterkonzept, wobei den Parameterausprägungen nachgelagerte Regeln hinterlegt sind. Je Treasury-Geschäftsart werden verschiedene Cashflow-Arten hinterlegt. Diese können direkt im System verarbeitet (-> Erstellung von Zahlungsformaten bzw. Buchung auf interne/externe Zahlungsverkehrskonten) und an die entsprechenden Kontrahenten weitergegeben und abgeglichen („gematcht“), oder aber über Standardformate an externe Bestätigungs- und Abwicklungsplattformen übertragen werden.
Buchungsübergabe an Finanzbuchhaltungssysteme (FI-Systeme): Zusätzlich zum Datenaustausch mit den Kontrahenten ist ein ordnungsgemäßer Datenfluss zwischen dem Treasury- bzw. Risikomanagementsystem und dem zentralen FI-System zu gewährleisten. Neben den eigentlichen Transaktionsdaten sind hierbei auch Bewertungsergebnisse bzw. Periodenabgrenzungs-Informationen häufig parallel auf Basis verschiedener Rechnungslegungskonzepte (HGB und IFRS parallel, IFRS und US-GAAP parallel, …) zu übertragen. Details hierzu werden an späterer Stelle erläutert. Dieser Prozessschritt ist integraler Bestandteil eines prüfungssicheren Treasury-Geschäftsprozesses.
Buchungsbestätigung aus dem FI-System: Zur Abrundung des Treasury-Geschäftsprozesses bzw. des diesen definierenden Statuskonzeptes kann die Bestätigung der übertragenen geschäfts- und bewertungsbezogenen Buchungsdaten aus dem FI-System (-> „Hauptbuch“) zurück in das Treasury- bzw. Risikomanagementsystem (-> „Treasury-Nebenbuch“) übernommen werden. Diese auch im System „CoRiMa“ vorhandene Möglichkeit schafft einen kompletten Abgleich der im FI-System verbuchten Salden mit den entsprechenden Treasury-Salden und gewährleistet darüber hinaus eine notwendige Prüfungstransparenz.
Überwachung der Netto-Rohstoff-Position
Die Zusammenführung der operativen Planungs bzw. Ist-Positionen mit den zugehörigen Sicherungsgeschäften ergibt die Netto-Rohstoff-Position. Über das im Risikomanagementsystem definierte Parameterkonzept sind hierbei freie Skalierungen (nach Sicherungszweck, Rohstoffart etc.) möglich. Die zeitliche Skalierung der Netto-Rohstoff-Position(en) orientiert sich üblicherweise am unterliegenden Planungskonzept und kann sich von Tages- über Quartals- bis zur Jahresbasis erstrecken. Neben der Darstellung des Exposures erfolgt zusätzlich eine Überwachung der Nominalgrößen auf Gesamt-Exposure- oder Perioden-Exposure-Ebene. Eine beispielhafte Darstellung des Exposures (-> Treibstoff-Exposure) zeigt Abbildung 4. [[[PAGE]]]
Aufbau und Parametrisierung eines Risikoanalysekonzeptes
Der Aufbau eines Risikoanalysekonzeptes basiert auf verschiedenen Vorgaben bzw. Festlegungen:
o Commodity-Spotkurse
o Commodity-Forwardkurse
o Währungskurse
o (implizite) Commodity-Options- Volatilitätenl
o Value-at-Risk
o Cashflow-at-Risk
o Earnings-at-Risk
o Szenario-Analysenl
o Varianz-Kovarianz-Verfahren
o Historische Simulation
o Monte Carlo-Simulation
o Szenario-Simulation mit historischen Stress-Szenarien
o Szenario-Simulation mit synthetischen Stress-Szenarienl
o Zeitraum für historische Zeitreiheno Betrachtungshorizonto Konfidenzniveau
o Spezialparametrisierungen für einzelne Risikotreiber (implizite Volatilitäten etc.)
o Definition der Szenarien (z. B. Marktkurs +/- 10%)
Nach Definition des Risikoanalysekonzeptes sind die gewählten Risikoanalysen im Risikomanagementsystem einzustellen. Darüber hinaus muss ein auf den Analyseergebnissen aufbauendes Risikoberichtskonzept definiert und umgesetzt werden. Die Strukturierung der Risikoberichte kann sich dabei von der Umsetzung der vorgegebenen Planungsraster bis zu aggregierten Darstellungen auf Management-Ebene erstrecken.
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Aufbau eines Risikoüberwachungssystems
Auch der Aufbau eines Risikoüberwachungssystems bedingt zunächst eine Definition der zu überwachenden Risiken bzw. eines Limit-Konzeptes. Überwacht und limitiert werden können grundsätzlich sämtliche mit dem Rohstoff-Sicherungsprozess verbundenen und analysierten Risiken.
Limitierung von Ausfallrisiken: Ausfallrisiken bestehen im Rahmen des Rohstoff-Sicherungsprozesses im Wesentlichen durch den Verlust positiver Marktwerte aus Sicherungsgeschäften bedingt durch den Ausfall von Kontrahenten (-> Banken). Der Aufbau eines Kontrahenten-Limit-Konzeptes hat somit neben der Ermittlung von Kontrahenten-Ausfallfaktoren auch den aktuellen Stand der Derivate-Position (-> positive Marktwerte) sowie deren zeitliche Skalierung zu berücksichtigen. Im Einzelnen stehen u. a. folgende Strukturierungsalternativen für den Aufbau eines Kontrahenten-Limit-Systems zur Verfügung.
a) Messung/Darstellung des Risiko-Exposures
o Nur positive Barwerte
o Saldierung positiver und negativer Barwerte pro Kontrahent (Verwendung von Sicherungs-Exposure-Größen)
o Verwendung zeitlicher Risikofaktoren (Bsp.: Zuschlag von 50% für Barwerte mit Restlaufzeit > 3 Jahren)
b) Messung/Darstellung der Ausfallwahrscheinlichkeiten
o Verwendung interner Risikoklassifikationen
o Verwendung externer ratingbasierter Ausfallswahrscheinlichkeiten oder Ausfall-Risiko-Gruppierungen
o Ableitung von Ausfallwahrscheinlichkeiten aus Credit- Spread-Veränderungen (-> CDS-Kurven etc.)
Die Ergebnisse eines auf Basis der vorstehenden Alternativen aufgebauten Kontrahenten-Limit-Konzeptes können im Rahmen eines frequentiert (stündlich, zweimal täglich, täglich [Tagesende] etc.) erstellten Limit-Berichtes, oder aber direkt über Oberflächen des Risikomanagementsystems (-> „CoRiMa“) dargestellt, überwacht und historisiert werden.
Limitierung von Barwertrisiken: Die Limitierung von Barwertrisiken setzt auf dem für die Messung des Barwert-Risikos definierten Analysekonzept auf. Werden Barwert-Risiken auf Grundlage von Value-at-Risk-Größen gemessen und dargestellt, so bilden diese Risikowerte auch die Basis für die zu limitierenden Risiko-Exposures. Neben der Limitierung des Gesamt-Value-at-Risk können zusätzlich auch Teilrisiken im Limit-Konzept berücksichtigt und limitiert werden (FX-Value-at-Risk, Commodity-Value-at-Risk etc.). Dies kann auch die Verwendung eines kohärenten Risikomaßes beinhalten, um die Sub-Additivität eines einfachen Value-at-Risk zu vermeiden.
Limitierung von Cashflow-Risiken: Bei der Limitierung der Cashflow-Risiken kann zwischen Nominal-Cashflow-orientierten Konzepten und Modellverfahren gewählt werden.Ein Nominal-Cashflow-orientiertes Konzept (Sicherungsstrategie, die gewährleistet, dass die Auszahlungen in einem Geschäftsjahr für einen bestimmten Rohstoff X nicht überschreiten) würde bspw. in der Limitierung offener Netto-Sicherungspositionen (Gesamtposition oder einzelne Periodenpositionen) bestehen (siehe Abbildung 5).Die Limitierung von Cashflow-Risiken kann aber auch auf Risiko-Exposures zurückgreifen, welche via modellgestütztem Risikoverfahren ermittelt wurden (-> Cashflow-at-Risk). Hier steht die komplette Parametrisierungsbreite der unterliegenden Risikoanalyse für die Ausgestaltung des Limit-Konzeptes zur Verfügung:
Sämtliche Skalierungen sind im Risikomanagementsystem (-> „CoRiMa) parametrisiert. In gleicher Form wie bei den vorstehenden Limit-Bereichen können auch hier die Auswertungsergebnisse im Rahmen eines frequentiert (stündlich, zweimal täglich, täglich [Tagesende] etc.) erstellten Limit-Berichtes, oder aber direkt über Oberflächen des Risikomanagementsystems dargestellt, überwacht und historisiert werden.
Limitierung von operationellen Risiken: Auch bei der Begrenzung von operationellen Risiken ist eine systemseitige Unterstützung von Vorteil. Gerade in größeren Organisationen ist die systemseitige Abbildung von (Handels-) Vollmachten und ein nachvollziehbar dokumentierter Abschluss- und Bestätigungsprozess von entscheidender Bedeutung, um die Gefahren durch Missbrauch, Fahrlässigkeit oder einfache menschliche Fehler in ihren Auswirkungen zu begrenzen. [[[PAGE]]]
Aufbau eines Berichtssystems
Die im Rahmen des integrierten Geschäfts- und Risikomanagementprozesses ermittelten Daten (Geschäftsbestand, Exposure, Risikoanalyse und Risikoüberwachung) müssen schließlich in einem aussagefähigen und adressatenbezogenen (Geschäftsführung, Bereichsleitung, Treasury, Einkauf, Produktion, Vertrieb etc.) Berichtswesen münden. Das Berichtswesen muss dabei jeweils auf die Erfordernisse der Adressaten ausgerichtet sein. So muss die Geschäftsführung beispielsweise Informationen zur aggregierten Risikoposition erhalten, um über die Sicherungsstrategie entscheiden zu können. Der Treasury-Bereich benötigt darüber hinaus unter anderem Bestands- bzw. Fälligkeitslisten, um eine geordnete Abwicklung der Geschäfte gewährleisten zu können. Aufgrund der heterogenen Adressaten und der nicht minder heterogenen Informationsbedürfnisse (z. B. Einkauf versus Treasury) ist ein angemessenes Reporting von herausragender Bedeutung.
Behandlung von Rohstoffsicherungspositionen im Accounting
Die Notwendigkeit der Übergabe von Buchungsdaten aus Rohstoff-Sicherungsgeschäften wurde bereits weiter vorne im Rahmen des Treasury-Geschäftsprozesses beleuchtet. Neben der direkten Verbuchung von Treasury-Geschäften im FI-System werden im Folgenden die Ausgestaltungsmöglichkeiten der Bewertungsbuchungen näher dargestellt, sowie die Umsetzung von Reporting-Anforderungen im Rahmen der Jahresabschlusserstellung (siehe Abbildung 6).
Parallele Ermittlung von Bewertungsbuchungen nach HGB und IFRS
Die Buchung von Bewertungsergebnissen aus Sicherungsgeschäften (Derivaten) nach unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften bringt einige Anforderungen an die Gestaltung des unterliegenden Buchungskonzeptes bereits im Treasury- bzw. Risikomanagementsystem mit sich. So müssen unter anderem die folgenden Punkte berücksichtigt bzw. aufgebaut werden.
Neben der Festlegung der Ausgestaltungsalternativen müssen auch zeitliche Vorgaben im Rahmen des Buchungsprozesses eingehalten und somit im Treasury- bzw. Risikomanagementsystem parametrisiert werden. So sind die Frequenz der Bewertungsdatenübergabe an das FI-System festzulegen (monatlich, quartalsweise) und maximale Zeiträume für die Übergabe zu definieren (Bsp.: Übergabe bis zum 3. Arbeitstag des Folgemonats). [[[PAGE]]]
Umsetzung von Hedge Accounting auf Basis der IFRS-Vorgaben
Die Buchung der Bewertungsergebnisse aus den Rohstoff-Sicherungsgeschäften kann unter bestimmten, allerdings sehr restriktiven Voraussetzungen (-> IFRS-Standard) unter den Vorgaben und Bewertungsvorschriften des Hedge Accounting (IAS 39) vorgenommen werden. Die im Rahmen der Sicherung der Rohstoff-Position abgeschlossenen Derivategeschäfte werden gemäß IAS-Klassifikation zusammen mit den zugehörigen Grundgeschäften (Ist- und Plan-Positionen) zu Cashflow-Hedges zusammengefasst. Das Treasury- bzw. Risikomanagementsystem hat hierbei verschiedene Aufgaben zu erfüllen bzw. muss mit verschiedenen Parametrisierungsvorgaben versorgt werden.
Die Ergebnisse der gemäß den Parametrisierungsvorgaben ermittelten Bewertungen müssen ebenfalls über ein definiertes Exportdatenkonzept in das FI-System übertragen werden. Das Risikomanagementsystem übernimmt sowohl die komplette Verwaltung der Bewertungsgrößen und Bewertungsvorgaben, als auch die Steuerung der Buchungsvorgänge, welche sowohl durch Veränderungen der Sicherungsposition (-> Auflösung/Verkauf des Sicherungsgeschäftes etc.), als auch durch Veränderungen des zugeordneten Grundgeschäfts (bspw. Verringerung des Treibstoff-/Metallbedarfs und damit Wegfall der Sicherungsnotwendigkeit) hervorgerufen werden können.
Umsetzung der IFRS7-Reporting-Anforderungen
Neben der Ermittlung von Periodenergebnissen und der darauf basierenden Ableitung von FI-Buchungen ergeben sich im Rahmen der Einhaltung der internationalen Rechnungslegungs-vorschriften weitere im Rahmen der Jahresabschlusserstellung zu berücksichtigende Vorgaben und Anforderungen. Im Bereich der Rohstoffsicherung sind dabei die Reporting-Anforderungen zur Darstellung der Bewertungsgrößen von Derivate-Geschäften gemäß IFRS 7 umzusetzen. Hierbei sind die Auswirkungen von Marktdatenveränderungen auf sämtliche Bewertungsergebnisse (GuV- und EK-Effekte) zu berücksichtigen. Die Ermittlung dieser Ergebnisse kann auf Basis von Szenarioanalysen oder auch auf Grundlage eines Value-at-Risk-Verfahrens erfolgen.
Das Risikomanagementsystem (-> „CoRiMa“) übernimmt hier die Dokumentation, Ermittlung, Verwaltung und Historisierung der Bewertungsergebnisse und stellt die Standardberichte zur Verfügung.
Fazit
Der dargestellte Ansatz einer gesamthaften systemseitigen Prozessunterstützung im Bereich der Rohstoffsicherungen ist sicher sehr weitreichend. Je nach konkretem Anforderungsprofil im Einzelfall können natürlich jeweils nur die tatsächlich benötigten Teilprozesse systemseitig unterstützt werden. Angesichts des vielfältigen Anforderungsprofils mit den Bereichen Risikomessung, Risikosteuerung, Handel von Sicherungsinstrumenten, prüfungssichere Abwicklung, Bewertung, Risikoanalyse, Berichtswesen, Buchhaltung und Bilanzierung, das aufgrund der heterogenen Grundgeschäftsparameter und der heterogenen Adressaten-Struktur deutlich über das von klassischen Finanzrisiken bekannte Maß hinaus geht, dürfte sich der Trend hin zu integrierten, den Gesamtprozess begleitenden Systemlösungen allerdings fortsetzen, da die beschriebenen Anforderungen sonst vermutlich nur unzureichend erfüllt werden können.